Heaven – Die Religion der Liebe

Heaven

Deutschland/Italien 2002

Regie: Tom Tykwer

DarstellerInnen: Cate Blanchett, Giovanni Ribisi, Remo Girone, Mattia Sbragia, Alberto di Stasio, Stefano Santospago, Stefania Rocca

Der Himmel ist für den christlichen Menschen der Ort der Erlösung. Und auch in diesem deutsch-italienischen Film, der so kühn ist sich in lakonischer Weise danach zu benennen, geht es natürlich um das Finden der wahren Seligkeit. Allerdings dürfte mancher streng Gläubige recht überrascht sein, über die Art von Religion, die hier ins Himmelreich zu führen verspricht. Anstatt eines strengen Moralstücks, verbirgt sich nämlich hier hinter dem Titel „Heaven“ eine faszinierende Liebesgeschichte. Kann ein Liebesfilm mit so einem Titel es schaffen, nicht kitschig zu wirken? Die Antwort ist ja, wenn gleich zwei Größen des europäischen Kunstkinos daran beteiligt sind. Regisseur Tom Tykwer, der sich schon vorher mit „Winterschläfer“ und „Der Krieger und die Kaiserin“ als Experte für ungewöhnliche Liebesmärchen profiliert hatte, inszenierte hier nach einem Drehbuch des legendären polnischen Autorenfilmers Krzystof Kieslowski. Wenn dann als Schauplatz noch die italienische Toskana gewählt wird und eine der weltbesten Schauspielerinnen die Titelrolle übernimmt, kann wohl gar nicht mehr viel schief gehen. „Heaven“ ist eine kraftvolle und kompromisslose Liebesgeschiche, die eine nahezu hypnotische Aura entwickelt.

Dabei schaut der Film zunächst mehr nach einem Kriminalfilm aus. Die Englischlehrerin Philipa will einen mächtigen italienischen Drogenbaron, der ihren Mann und viele ihrer Schüler auf den Gewissen hat, das Handwerk legen. Nachdem die Polizei ihre Anrufe und Briefe ignoriert, beschließt sie in ihrer Wut selbst zu handeln und schmuggelt eine Bombe in den Papierkorb des Verbrechers. Doch leider trifft ihre Bombe das falsche Ziel. Es sterben zwei unschuldige Kinder durch Philipas Bombe, die das Pech haben zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Als die inzwischen Inhaftierte von dem Fehlschlag hört, bricht sie während des Polizeiverhörs zusammen. Niemand glaubt ihr, dass sie keine Terroristin ist, außer dem jungen Polizisten und Dolmetscher Filipo. Dieser hat sich unsterblich in sie verliebt und erarbeitet einen Fluchtplan, der sie schließlich aus der Stadt hinaus, durch die Dörfer der Toskana führt…

Während der erste Teil des Films in Turin spielt und die Atmosphäre der Stadt als einengend und bedrohlich darstellt, zeigen die späteren Szenen das italienische Land als eine Art Idylle der Liebe von Philipa und Filipo. Die beiden so ähnlich klingenden Namen signalisieren schon, dass die Liebenden hier als nahezu unzertrennlich und füreinander gemacht dargestellt werden. Während Philipa aufgrund ihrer schweren Schuld den Glauben an das Leben verloren hat und zunächst nur noch sterben will, gibt ihr der junge und optimistische Filipo mit seiner hoffnungsvollen Art wieder Lebenskraft zurück. Dadurch, dass die beiden für ihre Liebe bereit sind alles zu riskieren und sich gemeinsam von der sie bedrohenden Gesellschaft abwenden, gelingt es ihnen, zu einem tieferen gegenseitigen Einverständnis zu kommen. Dabei zeichnet der Film die Liebe als etwas Magisches, das von oben herab bestimmt worden ist. Nicht umsonst findet das bewegenste Gespräch der beiden Liebenden in einer alten Kirche statt und auch das überraschende Ende hat etwas Übersinnliches. Die Botschaft des Films ist, dass die Liebe so etwas wie eine zeitlose Art der Religion ist, die selbst in einer säkularisierten Welt noch funktioniert und aus ihren Zwängen befreien kann. Allerdings muss man sich kompromisslos zu ihr bekennen und dafür Opfer bringen.

„Heaven“ erzählt seine Geschichte ohne viele Worte. Die sparsame und kunstvolle Klaviermusik und die von atemberaubender Schönheit geprägten Aufnahmen sprechen für sich selbst und ziehen den Zuschauer in einen ganz eigentümlichen Bann. Vor allem Cate Blanchett gelingt es, durch eine besonders ausdrucksstarke Darstellung die so widersprüchliche Figur der Philipa verständlich zu machen. Tom Tykwer hat vor allem für die zweite Hälfte des Films einen sehr ruhigen, meditativen Regiestil gewählt, der zu dieser übersinnlichen Liebeslegende sehr gut passt. Fans seines großen Hits „Lola rennt“ könnten sich von diesem stilistisch fast gänzlich konträren Film zwar vielleicht enttäuscht abwenden, aber wer „Winterschläfer“ oder „Der Krieger und die Kaiserin“ schätzt, wird sicherlich begeistert sein. Was „Heaven“ gegenüber diesen Filmen auszeichnet, ist dass die Geschichte hier geradliniger und einfacher ist, aber dennoch eine genau so große poetische Kraft entfaltet. Ein magisches Werk über große Gefühle und deren übersinnlichen Gehalt.

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